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Nachruf für Hermann Schmid, ehemaliger Gesamtleiter und Schulleiter unseres Max-Rill-Gymnasiums

Hermann Schmid

Hermann Schmid

*19. April 1942      † 4. März 2025

 

Menschenfreund, Vollblutpädagoge, Idealist und ein von ganzem Herzen für seine Sache brennender Gestalter war Hermann Schmid, der als Gesamtleiter mit seiner Frau Gisela Schmid-Steinke die Max-Rill-Schule in den Jahren 1985 bis 2001 entscheidend prägte. Beim Hören von Erzählungen und Lesen von Jahresberichten über seine Zeit wird klar: Hermann Schmid hat der Schule in seinen Leiterjahren nicht nur einen neuen Anstrich verpasst, sondern sie mit Ruhe und Empathie in ihrem Kern umgestaltet, schrittweise in ihrem pädagogischen Konzept verändert und sie so behutsam und nachhaltig für eine positive Entwicklung im 21. Jahrhundert ausgerichtet. Dies alles, indem er sich mit Vergangenheit und Tradition der Max-Rill-Schule tief vertraut machte und sie, wie z.B. ihr Wappentier der Eule, wieder zum Leben erweckte: die alten „Schlossgeister“, von denen Hermann Schmid sich mit aller Hingabe inspirieren ließ.

Wie Max Rill selbst, Fritz Funk und Peter Bründl, seine Vorgänger in der Leiterfunktion an der Max-Rill-Schule, kam Hermann Schmid, Jahrgang 1942, vom Landheim Schondorf am Ammersee, wo er als Altphilologe und Deutschlehrer unterrichtet und Menschenbild, Konzeption und Erziehungsziele der Reformschulpädagogik tief verinnerlicht hatte. Das Ehepaar Hermann Schmid und Gisela Schmid-Steinke übernahm die Schule 1985 in Zeiten schwerer Krise – das Internat hatte in den Jahren zuvor über ein Drittel seiner damals noch reinen Schülerinnenschaft verloren. Die Herausforderung der finanziellen Not meisterten sie durch aufrichtige Zuwendung, unermüdliches Interesse und offene Gespräche mit allen. „Mit allen“ hieß für Hermann Schmid jedoch vor allem mit jeder und jedem „Einzelnen“, die sich für die gefährdete Schule engagieren wollten – sei es aus pädagogischer Begeisterung als gegenwärtig Mitarbeitende, sei es in der Hoffnung von Eltern auf eine gute Zukunft für die eigenen Kinder, oder aus Dankbarkeit für die schönen Erinnerungen, die der Kreis der ehemaligen Schülerinnen aus der von Max Rill gegründeten „Schulfamilie“ für Schloss Reichersbeuern empfand.

Hermann Schmid gewann sie alle: Mitarbeitende zu einem teil- und zeitweisen Verzicht auf Gehälter, die in der prekären wirtschaftlichen Lage nicht mehr zu stemmen waren; Eltern und Schülerinnen, indem er schrittweise Schule und dann auch Internatshäuser für Jungen öffnete und somit neue Interessentenpotentiale erschloss; vor allem aber leistete Hermann Schmid mit seiner Frau Gisela eine wahre Herkulesaufgabe bei der Ehemaligenarbeit – er appellierte und warb um Spenden bei denjenigen, die in den Jahrzehnten zuvor in Reichersbeuern als Kinder und Jugendliche eine gemeinsame Heimat finden und eine unvergessliche, glückliche Zeit erleben durften. Dabei sprach er stets offen und wahrhaftig, machte aus der aktuellen Not keinen Hehl und nannte die großen Probleme selbstbewusst. Das brachte ihm auch Kritik ein, die ihn aber nur noch mehr für seine gute Sache, die Rettung der Max-Rill-Schule, anzustacheln schien – ein unverbrüchlicher Optimist, der sich auch und gerade in Zeiten der Krise treu blieb und nach vorne schaute.

Aus der Rückschau betrachtet wollte es der glückliche Zufall, dass in seine schwierigen Anfangsjahre das 50jährige Gründungsjubiläum der Max-Rill-Schule fiel. Im Jahr 1988 beging man dazu ein dreitägiges Fest, auf das Hermann und Gisela geschickt ihre unermüdliche Akquise- und Netzwerkarbeit ausrichteten. An diesen Tagen verdichtete sich alles, was zur Rettung der Schule nötig war. Der große Hermeneutiker Hans-Georg Gadamer hielt den Festvortrag, die Feier wurde ein großer Erfolg: Hermann Schmid verstand es damals und in den Folgejahren, die über 50 Jahre alte, versprengte „Schulfamilie“ aus Reichersbeuern erneut zu einer solchen zu versammeln, und das Schloss mit so wunderbaren Erinnerungen wie spannenden Zukunftsplänen zu erfüllen. Hunderte von Ehemaligen kehrten im Laufe der Jahre „heim“ und verbanden sich mit den Menschen, die aktuell an der Schule lehrten und lernten – und diese Fülle an gutem Idealismus wurde zum Füllhorn, aus dem sich der Bestand der Schule auch materiell wieder sicherstellen ließ. Eine Erfolgsgeschichte folgte: In den 90er Jahren stiegen die Schülerzahlen stetig, und als Hermann Schmid nach über 16 Jahren unermüdlichen Austauschs, kreativer Schulentwicklung und Forschungsarbeit zu Max Rill und Schulvergangenheit sich 2001 an seine alte Schule, das Ludwigsgymnasium in München verabschiedete, konnte er eine in Saft und Kraft stehende Schule an ihren Nachfolger übergeben.

Loslassen konnte Hermann Schmid „seine“ Max-Rill-Schule freilich nie – ihr genius loci, der sich ihm so glücklich offenbart hatte, hielt ihn in Bann. Sie war seine Heimat, sein Sinn und seine zentrale Lebensaufgabe geworden über all die Jahre, die er dort wirkte, sprach, leitete und forschte. Da überrascht es nicht, dass er Schloss Reichersbeuern eine 2014 erschienene Chronik geschenkt hat, in der er das 1000 Jahre alte Gemäuer und seine Geschichte akribisch und spannend erforschte und für die Nachwelt bannte – und vor über 2500 Zuschauern führte das Reichersbeurer Dorftheater im Sommer 2022 ein Stück über das Leben Anna von Pienzenaus auf, der Schlossherrin während des 30jährigen Krieges, das allein auf Hermann Schmids Nachforschungen beruhte. Er war dabei, wie zuverlässig auch bei allen Theateraufführungen und Festen der Max-Rill-Schule, und er begleitete die Schulentwicklungen weiter beratend und dankbares Gehör findend. Längere Zeit stand Hermann Schmid dem Ehemaligenverein vor und kultivierte und intensivierte jenes Netzwerk, in welchem die sich im freien Fall befindliche Schule, die er einst als Leiter übernahm, noch einmal fallend gerettet werden konnte.

Wie einst scheint es schließlich: Bei all den schweren Krisen, die die Max-Rill-Schule nach seiner Leitungstätigkeit erneut durchleben musste, hatte Hermann Schmid immer nur eins vor Augen – die Schule selbst. Er wollte ihren Geist, der ihn selbst so sehr beseelt hatte, wie kein anderer verstehen, spüren und verteidigen – und konnte ihn deshalb wohl auch wie kein anderer durchdringen. Hermann Schmid wird darin weiterwirken, weil er stets vertraute und sich bedingungslos begeistern ließ: von all jenen einzigartigen Menschen, wie sie sich in einzigartigen Erfahrungen und Geschichten am Ort Reichersbeuern verknüpfen, der sie erst zu jenen einzigartigen Menschen machte, die sie waren, sind und sein werden.

Der Menschenfreund Hermann Schmid ist am 4. März 2025 im Beisein seiner Ehefrau Gisela nach schwerer Krankheit verstorben.

Die Max-Rill-Schule weiß und erinnert sich:

Sie durfte weiterleben durch ihn, und Hermann Schmid lebt weiter in ihr.

 

Verfasser: Dr. Nikolaus Frei